Mittwoch, 22. November 2006

Großes Theater

Hallo Franz,

ich bin zurück aus Kroatien!!! Wir hatten eine sehr schöne, aber auch ziemlich anstrengende Zeit, sozusagen Spaß im Chaos!

Es fing schon etwas stressig an, unser Busfahrer glaubte nämlich tatsächlich, dass er es innerhalb von nur 3 Stunden nach Osijek ( pardon, für uns Ungarn natürlich unser gutes altes Eszek:-) ) und wieder zurück schaffen würde. Naja, als wir ihm dann verklickerten, dass wir noch bei mir die Requisiten und bei der Fakultät Fábián und Anitá aufsammeln müssten, brummelte er ganz schön für den Rest der Fahrt.

Osijek und Pécs sind nicht wirklich weit voneinander entfernt
( vielleicht 60 km ), aufgrund der Geschichte aber nicht mehr miteinander verbunden. Mit dem Zug braucht man ungefähr 5 Stunden
( mit Umsteigen in Káposvár und was weiß ich ), mit dem Auto nur 2 Stunden, wenn man den Grenzübergang im Süden wählt und auf kroatischer Seite wieder gen Norden fährt.

Dass wir durch diesen Grenzübergang nicht durchkamen, lag dann allerdings an unserem Busfahrer - unser Bus war nämlich gar nicht versichert :-) Die Grenzer fragten nach dem verantwortlichen Reiseleiter und nahmen mir diese Rolle nicht ganz ab.

Ich versuchte zwar noch, möglichst ernst und würdevoll rüberzukommen, scheiterte damit aber kläglich ob der Bier- und Pálinkarationen, mit denen mich meine Gruppe seit 11 Uhr morgens abgefüllt hatte. Ich glaube, wir haben es letztlich mit Bestechung geschafft, auf jeden Fall rasten wir danach wie die Irren die Buckelpisten Kroatiens hinauf!

Osijek ist eine sehr schöne, wenn auch kleine Stadt, an deren Altstadtfassaden der Bürgerkrieg noch deutlich zu erkennen ist. Wir selbst waren in einem Jesuitenkloster gegenüber dem Gefängnis untergebracht, zusammen mit der Theatergruppe aus Novi Sad ( Serbien ), die das Pech hatte, dass just an diesem Wochenende dem Massaker von Vukovar vor 15 Jahren gedacht wurde. Sie trauten sich nicht so recht auf die Strasse.

Aus diesem Grund war auch die Gastgebergruppe zunächst ziemlich zurückhaltend - erst abends sangen Kroaten und Serben vereint zur Balkanmusik.

Wie sooft spürte ich, wie sehr die Ungarn auf sich fixiert sind, immer sprachlich und kulturell abgeschnitten vom Rest Südeuropas. Das schweißt sie ganz schön zusammen. Wenn ich mich mal für eine halbe Stunde entferne, um meine Ruhe zu haben, kommen sie alle nacheinander an - warum ich nicht bei ihnen sei, ob es mir nicht gut ginge.

Ich genieße die Zeit mit ihnen, und sie sind mir allesamt an's Herz gewachsen - meine Rolle aber habe ich noch nicht ganz gefunden.
Manchmal würde ich gerne wieder der 21-jährige Student sein und unbeschwert die Reise genießen, mit ihnen feiern, mit ihnen trinken - ich bin es aber nicht, und eigentlich auch ganz froh drum. Wenn die Ungarn noch um sechs Uhr morgens lauthals auf dem Gang sitzen und singen, ärgere ich mich einfach, weil ich wieder der Gruppenleiter bin, der sie ermahnen muss.

Und wenn ich schimpfe, sind sie alle ganz still und verschreckt - sie sind wie kleine Kinder, die Dich mit großen Augen anschauen.

Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, wo sie Dich nachts von oben bis unten mit Rasierschaum einsprühen....

Als somit eingeweihtes echtes Mitglied der Theatergruppe, durfte ich am Samstag bei der Aufführung den Ton und das Licht versauen, was aber auch daran lag, dass der besoffene Techniker die ganze Zeit telefonierte und wir keine gemeinsame Sprache hatten. Wenigstens der Duell - Schuss klappte und das Publikum war begeistert!

Den Rest des Wochenendes verbrachten wir bei 25 Grad beim Picknick am Ufer des Flusses, der da so lang fließt. Das tolle an den Ungarn ist, dass sich keiner ( weder Mädchen noch Jungs ) zu fein ist, sich fette Wurst, Ölsardinen oder rohe Zwiebeln aus Gläsern zu angeln und genussvoll in seinen Mund zu stopfen!

Die Selbstverständlichkeit, mit der sie in so vieler Hinsicht ihre Bräuche pflegen, ohne sich zu fragen, ob das cool ist oder nicht, ist wirklich beneidenswert.

Und so ging ein sehr schönes Wochenende zu Ende, auch wenn ich noch eine vierte schlaflose Nacht zwecks Unterrichtsvorbereitung ranhängen musste.

Schlaf gut, meines liebes Tagebuch, ich hab Dich lieb.

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